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Ein Jahr mehr Zeit zum Lernen

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Wie funktioniert die Schulzeitverlängerung für behinderte Kinder?

Alle Kinder unseres Landes haben das Recht und die Pflicht eine Schule zu besuchen. Diese Schulpflicht gilt selbstverständlich auch für Schüler mit Behinderungen, die spezielle Förderschulen besuchen. Doch nicht immer ist der Wissens- und Fähigkeitsstand behinderter Kinder nach der Regelschulzeit schon so ausreichend, um im schulnachfolgenden Leben angemessen zurecht zu kommen. Dann können Eltern eine Schulzeitverlängerung beantragen. 

Die Dauer der Schulzeit regelt das Schulgesetzt eines jeden Bundeslandes. 

In Sachsen gilt dafür Folgendes: 

 28 SächsSchulG –
Dauer und Ende der Schulpflicht
(1) Die Schulpflicht gliedert sich in
1.
 die Pflicht zum Besuch der Grundschule oder der Klassenstufen 1 bis 4 der Förderschule und einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule (Vollzeitschulpflicht) und

2.
 die Pflicht zum Besuch der Berufsschule (Berufsschulpflicht).

(2) Die Vollzeitschulpflicht dauert neun Schuljahre; die Berufsschulpflicht dauert in der Regel drei Schuljahre.
(3) Die Berufsschulpflicht eines Auszubildenden endet mit dem Ende des Berufsausbildungsverhältnisses.
(4) Auszubildende, die vor Beendigung der Berufsschulpflicht ein Berufsausbildungsverhältnis beginnen, sind bis zum Ende des Berufsausbildungsverhältnisses berufsschulpflichtig. Auszubildende, die nach Beendigung der Berufsschulpflicht ein Berufsausbildungsverhältnis beginnen, können die Berufsschule bis zum Ende des Berufsausbildungsverhältnisses besuchen.

Das heißt also, in der Regel haben Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zwölf Schuljahre, um die Fähigkeiten zu erlernen, die für ein Leben nach der Schule wichtig sind. Manchmal jedoch erweist es sich als notwendig, die Regelschulzeit zu verlängern. Unter bestimmten Voraussetzungen ist das möglich.

In Sachsen wird das so geregelt:

 Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über Förderschulen im Freistaat Sachsen, Schulordnung Förderschulen – SOFS
Abschnitt 6 – Versetzung, Wiederholung, Verlängerung der Schulbesuchsdauer
§ 32 Freiwillige Verlängerung des Schulbesuchs und Höchstverweildauer
(1) Auf Antrag der Eltern kann die reguläre Schulbesuchsdauer vorbehaltlich des Absatzes 2 durch Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde verlängert werden, wenn wichtige pädagogische Gründe dafür sprechen.
(2) Schüler der Förderschule, die die reguläre Schulzeit im jeweiligen Bildungsgang um mehr als zwei Schuljahre überschreiten, müssen die Förderschule verlassen.

Eine Schulzeitverlängerung stellt also immer eine Ausnahme dar. Sie ist eine besondere Entscheidung  bei einem besonderen Verlauf im Schulleben eines Kindes. Sie ist demnach keine Selbstverständlichkeit und keine Wahloption, weil Eltern noch Zeit brauchen um das Nachschulleben ihrer Kinder zu organisieren.

Liegen jedoch für einen Antrag auf Schulzeitverlängerung gewichtige pädagogische Gründe vor, steht einem Jahr mehr Lernen aber nichts im Wege.

Ein Antrag auf Schulzeitverlängerung sollte rechtzeitig und in Abstimmung mit der Schule und dem zuständigen Schulamt erfolgen. 

Im Folgen ein paar wichtige Hinweise zu diesem Verfahren.

Was heißt rechtzeitig beantragen?

Der Antrag auf Schulzeitverlängerung sollte spätestens zum Anfang des letzten Schuljahres gestellt werden. Sinnvoll wäre jedoch schon eine Absprache mit der Schule und dem zuständigen Schulamt vorher. Die Pädagogen des Kindes können recht genau sagen, welche Entwicklungsschritte zu erwarten sind und wie diese in der Schule realisiert werden können.

Wo und wie sollte eine Schulzeitverlängerung beantragt werden?

Obwohl es um die Verlängerung der Schulzeit in der Schule geht, ist die Schule nicht diejenige, die dafür zuständig ist. Die Antragsteller sind die Eltern des Kindes. Bei ihnen liegt die Verantwortung, sich um den Verlauf ihres Antrages zu kümmern. Der erste Schritt könnte also ein formloser Antrag beim zuständigen Schulamt sein.

Keine Angst vorm Antrag. Eine Schulzeitverlängerung lohnt sich.
Keine Angst vorm Antrag. Eine Schulzeitverlängerung lohnt sich.

Allerdings benötigt man für den Antrag einige Unterlagen seitens der Schule. Meistens haben die Schulen dafür schon Vordrucke und Formulare.

Weitere Unterlagen:

  1. Formloser Antrag an das zuständige Schulamt
  2. Begründung der Eltern, warum die Schulzeitverlängerung beantragt wird
  3. Stellungnahme der Schulleitung zu diesem Antrag
  4. Stellungnahme der Pädagogen der Kindes zu diesem Antrag
  5. Kopien der letzten drei Zeugnisse des Kindes
  6. ggf. Stellungnahmen anderer Institutionen (Sozialpädiatrischer Zentren, psychologische Ambulanzen, betreuender Ärzte, …)

Welche Gründe können zu einer Verlängerung der Schulzeit führen?

Eine Schulzeitverlängerung kann gewährt werden, wenn entweder zwingende medizinische Gründe oder pädagogische Gründe dafür sprechen.

Hat ein Kind beispielsweise auf Grund seiner Behinderung einen großen Teil seiner Schulzeit verpaßt, dann wäre das ein gewichtiger Grund, dem Kind die Zeit zum Nachholen der Schulzeit zu geben. Dafür ist es notwendig Nachweise über die Fehlzeiten und Stellungnahmen der behandelnden Ärzte dem Antrag beizufügen.

Pädagogische Gründe sind schon schwieriger nachzuweisen. In den Einrichtungen, die einer Schulzeit nachfolgen, wie Werkstätten oder Förder- und Betreuungsbereiche, werden sowohl Therapien als auch weitere Förderungen angeboten. In den Werkstätten gibt es auch extra eine Eingangsphase, in der der Jugendliche sich eingewöhnen und die Abläufe in der Werkstatt verinnerlichen kann. 

Es gilt also zu begründen, welche Fähigkeiten in der Schule besser erworben werden können oder müssen, als in der Werkstatt.

Sinnvoll ist es hier, mit den Pädagogen und dem zuständigen Schulamt schon rechtzeitig ins Gespräch zu kommen. Das Schulamt sollte den Jugendlichen gegebenenfalls kennenlernen und seine Fähigkeiten schon einmal in Augenschein genommen haben. 

Wie stellt man Lernprozesse dar?

Wichtig ist, dass Lernprozesse in ihrem Verlauf dargestellt werden. Sowohl die schon absolvierten, als auch die, noch im Prozess befindlichen. Sinnvoll ist es auch, zu benennen, was die pädagogischen Ziele dieser Prozesse sind, die in der Schule angestrebt werden? 

Wie hat hat der Schüler mit diesen Prozessen begonnen und wo ist sein derzeitiger Stand?

Läßt sich innerhalb der beantragten Schulzeitverlängerung das Ziel erreichen?

Das sind sehr spezielle Fragen. Deshalb ist es ratsam, diese Lernprozesse schon rechtzeitig zu dokumentieren. (Aus der persönlichen Erfahrung der Autorin scheinen zwei bis drei Jahre vor Schulzeitende ein sinnvoller Zeitraum zu sein.)

Am besten lassen sich eben diese Prozesse in Zeugnissen dokumentieren. Auch wenn sich Eltern immer über besonders positive Darstellungen der Fähigkeiten ihrer Kinder freuen, ist es dennoch wichtig, dass die Zeugnisse den tatsächlichen Stand des Kindes erfassen. Im Sinne einer erfolgreichen Beantragung, sollte man lieber die bitteren Pillen der Wahrheit schlucken, als sich an den süßen Säften einer übertrieben positiven Bewertung zu laben. 

Eltern wissen doch sowieso, dass ihre Kinder großartig sind.

Wie geht es dann mit dem Antrag weiter?

Wie bei allen Anträgen hat der Antragsteller ein Recht darauf innerhalb von drei Wochen eine Antwort zu bekommen. Das muß allerdings nicht immer schon die Entscheidung sein. Oft ist es nur erst einmal eine Eingangsbestätigung. Dann heißt es für die Eltern: Dranbleiben. 

Das neue Schuljahr tickt. Die Schulen müssen ihre Kapazitäten planen und brauchen rechtzeitig Informationen, ob der Schüler weiterhin in der Schule bleibt. Und so wie in allen anderen Ämtern auch, stehen Mitarbeiter in Schulämtern unter enormen Druck, um gerade auch solche vielschichtigen Anträge zu bearbeiten.

Wird die Schulzeitverlängerung gewährt, sollten die Eltern umgehend die Schulleitung informieren und sich dann für das neue Schuljahr rüsten.

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